Wer kennt das nicht? Lange herbeigesehnt, vor der Auszeit nochmal richtig gepowert, sodass Sie sich den Urlaub im wahrsten Sinne des Wortes förmlich „erarbeitet“ haben? Und kaum sind Sie angekommen, am Urlaubsort oder, was wohl viele in diesem Jahr alternativ in Betracht gezogen haben, auf Balkonien, im Garten oder der eigenen Umgebung, fängt es an zu kriseln. Ihr/e Partner/in möchte nicht so, wie sie wollen. Er/Sie macht Ihnen Vorwürfe. Die Kinder quengeln. Interessen prallen aufeinander. Und Sie fragen sich, ob so ein Urlaub alleine nicht eine nennenswerte Alternative gewesen wäre?
Stopp! So muss Ihr Urlaub nicht enden! Was kann Abhilfe schaffen?
Kommunikation! „Kommunikation???“ fragen Sie sich? Ja, genau! Wie Paul Watzlawick schon zu sagen pflegte: „Man kann nicht NICHT kommunizieren“. Wieso denn das? Sie fragen sich vielleicht „Ich sage ihm/ihr ja schon, was mich nervt“. Und genau da liegt der Kasus Knacksus. Wir sind es gewöhnt, Menschen laufend zu beurteilen und ihnen zu sagen, was uns an ihnen nicht passt. Wie wäre es einmal mit einer anderen Variante?
Der amerikanische Psychologe Marshall Rosenberg, der das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK) entwickelte, schlägt vor, dem anderen unvoreingenommen und wertschätzend gegenüber zu treten. Wie das geht? Zuerst einmal rät Rosenberg dazu, das Geschehene nicht zu bewerten. Praktisch sieht das so aus: wenn Ihr/e Partner/in im Urlaub die Wäsche auf den Fußboden wirft, anstatt sie in den Koffer oder Schrank zu legen und Sie ihm/ihr sagen „IMMER wirfst du deine Wäsche auf den Boden“, wird er oder sie vermutlich in den Gegenangriff übergehen. Sicher müssen Sie sich dann anhören, dass Sie wiederum eine ewig nörgelnde, zickende Nervtante oder ein Miesepeter sind. Oder dass Sie IMMER nur am schimpfen sind. Und schon geht der Schlagabtausch los und Sie sind verstrickt in Bewertungen und Urteilen. Rosenberg regt an, die Situation nicht zu bewerten, sondern nüchtern und möglichst objektiv darzustellen. In unserem Fall wäre das „Ich sehe Wäsche von Dir am Boden liegen.“ Ja okay, aber da fehlt noch etwas? Ja, wichtig ist, von sich, der eigenen Perspektive und den eigenen Gefühlen zu sprechen.
Wie fühle ich mich damit, dass mein/e Partner/in die Wäsche auf den Boden schmeißt? Fühle ich mich damit ärgerlich, genervt, angespannt, unter Druck, bin ich aufgeregt, wütend oder macht mich das unruhig? Und was ist eigentlich mein Bedürfnis, welches hinter dem unaufgeräumten Zimmer steht? Vielleicht bin ich genervt, weil ich ein Bedürfnis nach Ordnung habe. Vielleicht bin ich aber auch genervt, weil ich einen anstrengenden Tag hatte und nicht noch das Zimmer aufräumen will. Wichtig wäre es, bei mir zu bleiben und genau das, meine eigenen Empfindungen und Wünsche bzw. Bedürfnisse, zum Ausdruck zu bringen. „Ich sehe Wäsche von dir am Boden liegen. Ich werde durch meine Bewertungen („Nie nimmt er/sie Rücksicht auf mich“) unruhig, weil ich ein Bedürfnis nach Ordnung und Struktur in unserem Raum habe. Sehr schön! Aber es fehlt immer noch was. Welches konkrete Anliegen habe ich an meine/n Partner/in? Was soll er/sie tun, was wünsche ich mir, was anders sein soll, damit mein Bedürfnis nach Ordnung erfüllt wird? Auch das sollte zur Sprache kommen. „Ich würde mir wünschen, dass wir beide morgens unsere Wäsche in den Schrank räumen, damit wir nachmittags in ein aufgeräumtes Zimmer zurückkehren“. Und anschließend fragen Sie Ihre/n Partner/in, ob es für ihn oder sie überhaupt in Ordnung wäre oder er/sie Einwände und vielleicht sogar auch andere Vorschläge hat. „Bist du einverstanden? Hast du andere Ideen? Wie fühlst du dich damit?“.
Rosenberg schlägt auch vor, den Anderen zu fragen, ob das, was ich gesagt habe, beim Anderen so angekommen ist. „Wie hast du das verstanden, was ich gesagt habe?“ Manchmal ist es sehr spannend, wie der Andere wiederum eigene Wahrnehmungen und Bewertungen in unser Anliegen legt! Dies gilt es zu prüfen. Falls Ihr/e Partner/in Nein sagt, hält ihn/sie wahrscheinlich ein eigenes, wichtiges Bedürfnis davon ab. Vielleicht ist die Urlaubszeit, die einzige Zeit wo er oder sie den Morgen entspannt starten kann, vielleicht wäre er oder sie aber offen dafür, mittags oder nachmittags die Wäsche in den Schrank zu legen.
Noch einmal in Kurzform:
1) Als erstes schildern Sie die vorliegende Situation, die zum Konflikt geführt hat, ohne zu bewerten. „Ich sehe Wäsche auf dem Fußboden liegen.“
2) Nennen Sie das Gefühl, was Sie dazu hatten. „Ich bin unruhig“
3) Benennen Sie Ihr Bedürfnis „Ich brauche Ordnung“
4) Formulieren Sie eine Bitte, die Ihren Wunsch oder Ihr Bedürfnis enthält. „Können wir am Morgen zusammen das Zimmer aufräumen?“ „Kannst du deine Wäsche morgens in den Schrank räumen?“
5) Versichern Sie sich, ob Ihr Anliegen vom Anderen auch so verstanden wurde. „Was hast du verstanden?“ „Wie hast du das verstanden, was ich gesagt habe?“
Wenn Sie diese 5 Schritte im Hinterkopf behalten und vielleicht das eine oder andere Mal berücksichtigen, sind Sie für den nächsten Streit gewappnet und Ihr Urlaub wird das, was Sie sich von ihm erwünschen: erholsam, harmonisch und entspannt. Rosenberg empfiehlt, sich diese Schritte immer wieder bewusst zu machen und das „gewaltfreie kommunizieren“ regelmäßig, am besten in jeder zwischenmenschlichen Situation, zu üben, um eine konfliktfreiere Sprache zu erlernen.
Es ist manchmal auch hilfreich, sich vor einer Ansprache des Partners erst einmal selbst ein bisschen Empathie zu geben. In dem Sinne: „Oh man/frau, jetzt liegen da seine/ihre Sachen auf dem Boden, das macht mich ganz zappelig, da ich mehr Ordnung in unseren gemeinsamen Räumen brauche, um mich wohl zu fühlen.“ „Mir ist es wichtig diesen Punkt anzusprechen, ohne ihm/ihr gleich einen Vorwurf zu machen, ich hoffe, es gelingt mir mein Bedürfnis rüber zu bringen und verstanden zu werden...“
Wer neugierig geworden ist, dem empfehlen wir die Lektüre „Gewaltfreie Kommunikation- eine Sprache des Lebens“ von Marshall B. Rosenberg. Wenn Sie weitere Informationen zu diesem Thema wünschen oder gerne einen Kommentar hinterlassen möchten, nutzen Sie gerne folgendes Formular. Ihre Kommentare werden nicht veröffentlicht.